Hämophilie

Unbeschwert reisen mit leichtem Gepäck

Reisebericht

Mit dem Rad bei schlechtem Wetter von Kiel nach Polen, spontan vier Wochen nach Hawaii oder, wie demnächst geplant, durch Indonesien, bis kein Geld mehr da ist… Jeppe Gröndahl ist keine Reise zu weit oder zu beschwerlich. Die Hämophilie scheint für den 19-jährigen eher Nebensache…

Als sein Kumpel ihn anruft und fragt: „Hey hast Du nicht Lust nach Hawaii zu kommen und einen Roadtrip mit mir zu machen“, zögert Jeppe nicht lange. Spontan sagt er zu und sitzt zwei Wochen später im Flieger. Jeppe Gröndahl ist 19 Jahre alt und hat Hämophilie A. Jeden zweiten Tag spritzt er sich ein Faktor-VIII-Präparat. Vor knapp zwei Jahren hat er Abitur gemacht und weiß noch nicht so genau, in welche berufliche Richtung es ihn längerfristig zieht. Kurzfristig zieht es ihn jedenfalls in die Welt hinaus und er möchte soviel reisen wie möglich. Die letzten beiden Sommer hat Jeppe bei seiner Oma Mosi an der Ostsee verbracht und in einer Surfschule in Kiel gearbeitet. Davon ist noch ein bisschen Geld auf dem Konto. Das muss reichen für Hawaii.

Reisegepäck bei Hämophilie

»Manchmal muss man improvisieren«

Im letzten Jahr hatte derselbe Kumpel, der jetzt auf Hawaii ist, ihn in Kiel besucht, von wo aus die beiden auf Radtour gingen: 9 Tage lang, an der Ostseeküste entlang von Kiel nach Polen. „Weil Jonathan seine Satteltaschen zu Hause vergessen hatte, mussten wir improvisieren, ein bisschen stopfen und hier und da etwas mit dem Spanngurt festklemmen.“ In einer Satteltasche und zwei kleinen Vorderradtaschen bleibt nicht viel Platz für eine Kühlbox mit verpackten Medikamenten. „Um Platz zu sparen habe ich die Durchstechflaschen aus der Verpackung genommen, immer drei davon in eine verschließbare Plastiktüte gepackt und diese jeweils in einer Thermosflasche mit crushed ice verstaut. Fertig.“ Das Wetter war durchwachsen, trotzdem schafften sie es bis nach Polen, trotzdem wurde gezeltet und trotzdem hatten sie Spaß. Und etwas Spaß kann Jeppe gut gebrauchen. Das Jahr 2022 hatte schließlich nicht so gut angefangen: Ein Umknicktrauma während eines Basketballspiels hatten neben einem Bänderriss einen Knorpel- und Knochenschaden zur Folge. „Im Februar 2022 wurde ich operiert, die OP war ziemlich aufwändig und definitiv viel heftiger als die Hawaiireise. Danach musste ich 3 Monate lang auf Krücken laufen“, erzählt er. „Das war echt belastend. Die Surfschule, die Radtour und der Trip nach Hawaii waren also auch ein bisschen Ausgleich.“

»Reiseplanung? Eher unspektakulär!«

Dass Hawaii ziemlich weit weg von zu Hause ist, dass er Faktor mitnehmen muss und vielleicht auch ein bisschen mehr planen muss, als bei der Radtour an der Ostseeküste, schreckt den Berliner nicht ab. „Eigentlich war das gar nicht so spektakulär“, wiegelt er ab. „Ich habe geguckt, wie lange ich unterwegs sein werde und ausgerechnet, wieviel Faktor ich brauche.“ Von seinem Hämophiliezentrum erhält er einen Brief, in dem steht, dass er Hämophilie hat und welches Präparat er spritzt, dazu ein abgestempeltes Dokument, das ihn dazu berechtigt, die benötigten Präparate und alles, was er für die Injektion benötigt, mit sich zu führen. „Das Zentrum hat das dann wie immer in der Witzleben-Apotheke durchgegeben, und die Apotheke hat’s geliefert. Die haben mir dann noch Kühl-Akkus für die Reise geschenkt, die ich aber gar nicht alle mitnehmen konnte, weil schlicht der Platz im Rucksack fehlte.“

Am Ende hat Jeppe sein Backpack und eine Kühltasche mit nur zwei kleineren Kühlelementen und etwas mehr Faktor als benötigt dabei – „aber eigentlich nur, weil meine Mutter drauf bestanden hat, dass ich etwas mehr mitnehme“, sagt er. Seine Mutter habe auch gleich nachgesehen, ob und wo es auf Hawaii ein Hämophiliezentrum gebe, so Jeppe. „Das hat sie früher auch bei Klassenreisen ins Ausland so gemacht. Für den Fall, dass ich mir mal den Faktor nicht mehr selbst verabreichen kann.“ Das Zentrum auf Hawaii befindet sich in Honolulu. Gut zu wissen immerhin. „Jo, und dann hab‘ ich den Flug gebucht und bin los. Ganz einfach.“ Auf die Frage, ob er die Fluggesellschaft zuvor kontaktiert habe, wegen der Faktorpräparate und der Nadeln im Handgepäck, antwortet Jeppe, er habe nichts angemeldet und es habe auch niemanden interessiert. „Ich hatte 25 Schachteln mit Faktor in der Kühltasche und natürlich, was ich zum Spritzen brauche und habe beim Einchecken einfach gesagt: hier sind Medikamente drin, das war’s.“

Surfen, surfen, surfen

“Hawaii war super. Wir sind per Bus, per Anhalter und zwischendurch mit einem Mietwagen unterwegs gewesen haben überwiegend wild gecampt und hin und wieder auch auf einem Campingplatz. Nur eine Nacht waren wir im Hostel und viermal bei Leuten auf der Couch. Beim CouchSurfing konnte ich meine Kühlakkus ins Gefrierfach legen, ansonsten bin ich morgens zum Supermarkt und hab die Kühltasche mit crushed ice gefüllt. Ob das bis zum Abend immer so die richtige Temperatur hatte, bezweifle ich ehrlich gesagt, aber es hat irgendwie hingehauen.“ Manchmal, erzählt Jeppe, hätte er die Kühltasche auch im Surfshop abgegeben und darum gebeten, den Inhalt kühl zu stellen bis zum Abend. Und surfen waren sie oft. Surfen auf Hawaii ist kein Kinderspiel und ein paarmal trägt Jeppe Verletzungen davon. „Ein paar Schnittwunden waren dabei, einmal ist mir das Surfboard um die Ohren geflogen und die Finne hat mich unterhalb der Rippen erwischt. Das gab drei tiefe Kratzer und einen ordentlichen blauen Fleck. Also bin ich kurz raus aus dem Wasser, hab mir Faktor gespritzt und bin schnell wieder rein. War nicht ganz so geil, aber hey, du bist wahrscheinlich nur einmal in deinem Leben auf Hawaii, habe ich mir gesagt. So schlimm wird es nicht sein.“

Basketball und wieder Reisen

Nach der Hawaiireise machen sich Schmerzen bemerkbar, seine Hämostaseologin rät ihm, eine Weile etwas mehr Faktor zu spritzen, als sonst. Jetzt hofft er, dass er bald wieder Basketball spielen darf. „Ich hab‘ noch nicht 100 Prozent Vertrauen in den Fuß, aber ich hab halt zu viel Bock, als dass ich noch so lange warten will…“ Jeppe ist zuversichtlich und Basketball ist halt seine Leidenschaft. Ende März fliegt er nach San Francisco, um sein Lieblingsteam live zu sehen. „Das war schon immer ein Traum von mir.“ Zwei Spiele will er sich ansehen, danach geht es weiter nach San Diego, wo er einen Monat lang eine Sprachschule besuchen soll. „Das wurde von Mama und Papa organisiert und freundlicherweise von Oma und Opa gesponsert: Und es bedeutet vormittags 3 Stunden Schule, danach darf ich surfen, das ist super.“ Im Anschluss sei er noch etwa drei Wochen bei einem Freund seines Vaters in Santa Barbara, der einen ebenfalls surfbegeisterten Sohn hat. Klingt nach Spaß.

Und dann?

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Tanja Fuchs, Chefredakteurin der Hämovision, dass sie uns diesen Artikel für die Veröffentlichung auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt hat!

Hämovision März 2023

Dieser Text ist erschienen in der Hämovision, Ausgabe März 2023. Sie finden diese Ausgabe zum Download auf unserer Website.

Weitere Ausgaben finden Sie zudem auf dieser Seite:
Das HÄMOVISION-Magazin – Leben mit Hämophilie

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