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Leber wie Leben

Dieser Artikel erschien im Check Magazin.
Autor: Torsten Schwick

Die Leber macht etwa 2,5 Prozent unseres Körpergewichts aus. Sie ist die größte Drüse im Menschen und das zentrale Stoffwechselorgan für den Eiweiß-, Fett-, Kohlenhydrat- und Wasserhaushalt.

Die Personalabteilung des Körpers

Sie kann so viel, dass wir hier nur einige der bekanntesten Funktionen nennen. So spielt sie etwa bei der Aufnahme vieler Stoffe aus dem Darm eine zentrale Rolle. Sie kümmert sich auch um die Bildung von Harnstoff, den Auf-und Abbau des Blutfarbstoffes, die Gallensäuren und reguliert den Säure-Basen-Haushalt und den Spurenelement- und Vitaminstoffwechsel.

Außerdem bewirkt sie die Auflösung und Unschädlichmachung von Bakterien und körpereigenen sowie körperfremden Zellbestandteilen. Sie bestimmt sozusagen, welche Stoffe wo genau in welcher Kapazität eingesetzt werden.

Frei von der Leber weg

Dieser Ausdruck beschreibt einen elanvollen Menschen, den scheinbar nichts belastet. Aber auch jemanden, der intensiv, emotional, überhitzt, jähzornig oder manisch ist. Der Begriff wurzelt in der antiken Viersäftelehre, nach der die Leber als Ursprung der gelben Galle galt und sich Ärger, Galle und Zorn dort ansammeln. Man hielt es daher für sinnvoll, seinen Ärger offen kundzutun, um das Organ von Wut und Frust zu befreien.

So erklärt sich auch die Redewendung „Eine Laus über die Leber gelaufen“. Es handelt sich um eine Verstimmung, die durch unangenehme Reizung der Gefühle ausgelöst wird.

Ein Gläschen in Ehren

Schon geringe Mengen Alkohol verändern die Porengröße der Leberzellen. Das eine kleine, wohl-gemeinte Gläschen ist nachvollziehbar und erlaubt. Regelmäßiger Alkoholgenuss kann jedoch zum Verschwinden der Poren und letztendlich zu Fettstoffwechselstörungen und Arterienverkalkung führen. Dadurch steigt das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

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Früher nannte man Alkohol auch Weingeist oder „Spiritus Vini“. Nach der erfolgreichen Destillation gewinnt man eine Essenz, eine feinstofflichere Version des Traubensaftes, quasi also den Geist der Traube. Das dieser Geist sich bei Konsum auf den Zustand unseres Gemüts auswirkt, ist unbestritten.

Spinnt man den Gedanken etwas weiter, kann man auch sagen, der Weingeist ergreift für eine Weile Besitz von uns. Er ändert die Persönlichkeit und lässt uns Dinge tun, die wir sonst nicht tun. Ausgelöst wird dieser Prozess in der Leber und findet dann gefühlt im gesamten Körper statt. Daher wehrt sie sich auch gegen eine solche Übernahme.

Xenobiotika

Besonderes Augenmerk sollte man auch auf Xenobiotika (körperfremde Substanzen) werfen. Sie sind meist chemischer Art, werden aber zunehmend auch mittels biotechnologischer Verfahren hergestellt. Seien es synthetische Geschmacks- Farb- und Konservierungsstoffe oder medizinisch notwendige Medikamente wie Schmerzmittel, Antibiotika oder Chemotherapeutika.

Hier reagiert die Leber schlimmstenfalls mit Zellnekrose (Absterben von Zellen), Cholestase (Gallestauung) und Hepatits (Gelbsucht). Das liegt daran, dass die Leber die unerwünschten Produkte abbauen muss.

Deshalb ist es auch ganz besonders wichtig, Alkohol während einer Phase der Medikamenteneinnahme zu vermeiden, um die Leber nicht zusätzlich zu belasten.

Die Leber liegt im rechten Oberbauch, direkt unter dem Zwerchfell. Sie ist mit etwa 1,5 kg Gewicht eines der größten inneren Organe.

Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse

Der rein aufbauenden Lebertätigkeit steht die Gallentätigkeit polar gegenüber. Beide sind bis ins Kleinste eng miteinander in einem rhythmischen System verflochten. Die Leber ist das Nachtorgan, also aktiv in den Zeiten der regenerierenden und aufbauenden Prozesse.

Die Galle ist am Tag tätig, wo Bewusstsein und Abbau vorherrschen. Deswegen vertragen wir fettes Essen und Aufregung am Abend sehr schlecht und Gallenkoliken treten fast ausschließlich nachts auf. Zwischen zwei und drei Uhr morgens ist die Assimilation von Glycogen (tierischer Zucker/Stärke) am höchsten.

Die Leber speichert gemeinsam mit der Bauchspeicheldrüse einen Überschuss an Zucker und stellt ihn dem Organismus bei Bedarf wieder zur Verfügung. Raffinierter Haushaltszucker, aber auch die Täuschung mit Süßstoff, sind eine Belastung für die Leber.

Nachtruhe

Verdauungsstörungen, mangelnde Regeneration, morgens eher depressive Stimmung und Vitalitätsverlust oder Haarausfall sind Zeichen für eine geschwächte Leber. So auch das Aufwachen gegen drei Uhr nachts, wenn dann die Galle aktiv wird.

Der Leber-Galle-Rhythmus ist streng an die Ortszeit gebunden. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum Interkontinentalflüge unseren Schlaf und Verdauung „verwirren“.

Prometheus

Der Legende nach hatte der Titan Prometheus Menschen aus Ton erschaffen, ihnen Lesen und Rechnen, Astrologie, Heilkunst und verschiedene andere Arten von Arbeiten beigebracht. Als er die Götter täuschte, indem er ihnen das Feuer stahl, um es „seinen” Menschen zu geben, kettete ihn Zeus, der Vater der Götter, an einen Felsen. Dort aß jeden Tag ein Adler seine Leber, die sich über Nacht immer wieder erneuerte.

Man muss sich wirklich darüber wundern, wie viel wissenschaftliches Verständnis die alten Griechen gehabt haben müssen.

Das Gewebe der Leber verfügt über ein enormes Regenerationsvermögen. Bei Schädigungen oder Resektion, also einer operativen Entfernung, kann sich die Leber um bis zu 75 Prozent erneuern. Das liegt daran, dass alle Leberzellen an allen Stoffwechselvorgängen grundsätzlich beteiligt sind.

Ein Adler flog jeden Tag herbei und fraß von der Leber des Prometheus.

Die Leber gehört zu den fünf lebenswichtigen Organen des Körpers. Die anderen sind das Gehirn, das Herz, die Lunge und die Nieren. Wir könnten nicht überleben, wenn eines fehlt. Wenn man also der Leber besondere Aufmerksamkeit schenkt und sie gut pflegt, zählt dies als Überlebensstrategie.