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Empowerment: Selbst gestalten, selbst bestimmen

Der Patient als Ressource

Wer sich als Patient in die Krebsbehandlung eingebunden fühlt, hat eher das Gefühl, auch weiterhin Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Nimmt man selbst aktiv Einfluss, dann fällt es in der Regel leichter, einen Umgang mit der Erkrankung zu finden. Für die Lebensqualität ist dies von besonderer Bedeutung.

Die medizinische Forschung läuft auf Hochtouren, in den letzten zehn Jahren sind zahlreiche neue Krebstherapien zugelassen worden. Die Überlebensraten steigen und die Lebensqualität der Patienten oftmals auch. Das sind gute Nachrichten. Doch es sind nicht nur die medizinischen Therapien, die daran Anteil haben. Von großer Bedeutung sind auch Bewältigungsstrategien. Immer mehr Menschen möchten nach der Diagnose Krebs selbst etwas tun. Für ihre Gesundheit im Allgemeinen, um die bevorstehenden Behandlungsphasen besser zu verkraften, aber auch, um ihre Psyche zu stabilisieren. Ein Großteil aller Menschen mit Krebs beschäftigt sich mit komplementären Möglichkeiten, bezieht Ernährung, Bewegung und Entspannungsmethoden mit ein. Auch psychotherapeutische Hilfe wird immer häufiger in Anspruch genommen.

Eine neue Patientengeneration

Den meisten Menschen ist es wichtig, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, selbst Entscheidungen dafür zu treffen und ihren Alltag aktiv mitzugestalten. So selbstverständlich wie dies für Gesunde sein mag, so ungewöhnlich erschien es bis vor wenigen Jahren noch für Patienten zu sein. Insbesondere für solche mit einer Krebserkrankung. Blickt man zurück, so überwiegt eher das Bild vom Experten im weißen Kittel auf der einen Seite, der aktiv entscheidet und vom passiven Patienten auf der anderen Seite, der das irgendwie hinnimmt. Detaillierte Fragen zur Diagnose zu stellen und eine Therapieentscheidung des Arztes gar zu hinterfragen – das ist etwas, das zwei Generationen zuvor höchst selten war. Doch dieses „traditionelle Rollenverständnis“ hat langsam, aber sicher ausgedient.

Ich werde nicht nur behandelt, ich handle selbst

„Nach und nach ist eine neue Generation von Patienten herangewachsen, die sehr viel interessierter an Aufklärung ist, die verstehen will, was wann warum geschieht und die möglicherweise auch mitentscheiden möchte, zumal wenn es unterschiedliche Optionen gibt“, sagt Claudia Poguntke. „Nach dem Motto: Ich werde nicht nur behandelt, ich handle selbst.“

Doch es geht um viel mehr als die sogenannte Patientenpartizipation. Es geht darum, den Patienten als ganzen Menschen zu sehen und nicht nur als Krebspatienten. Es geht um integrative Onkologie und Psychoonkologie. Mit diesen Aspekten beschäftigt sich auch Claudia Poguntke. Zum Beispiel in ihrer 2021 verfassten Masterarbeit mit dem Titel „Kreatives Schreiben mit Krebspatient:innen im virtuellen Raum – Digitales Empowerment während der Corona-Pandemie“.1 Darin schreibt sie:

„Krebserkrankte sind mit einer Vielzahl schwerer Belastungen konfrontiert. Trotz einer deutlichen Verbesserung der Heilungschancen und einer zunehmenden Ausdifferenzierung von Behandlungsmöglichkeiten durch Fortschritte in der Krebsforschung, Medizintechnik und Pharmazeutik, handelt es sich immer noch um langwierige Therapieprozesse, die von den Betroffenen und deren sozialem Umfeld einschneidende Veränderungen, Umstellungen und Anpassungen einfordern. Um angemessen auf diese vielschichtigen Herausforderungen reagieren zu können, hat sich in der modernen Onkologie eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Forschungsgemeinschaft herausgebildet: Die Psychoonkologie oder „Psychosoziale Onkologie“ richtet ihren Fokus auf das Befinden des Menschen, der an Krebs erkrankt ist, nicht auf die Behandlung der Krebserkrankung per se.“1

Ausdrücklich zu begrüßen sei daher die Verankerung psychoonkologischer Konzepte in den onkologischen Leitlinien, so Poguntke. Die hier definierten Entscheidungshilfen wiesen die Betreuung und Begleitung von Krebspatientinnen und -patienten ausdrücklich nicht nur den Medizinwissenschaften zu, sondern bezögen Psychotherapeuten und Pädagogen ebenso ein, wie Soziologen, Kunsttherapeuten, Ergotherapeuten oder Seelsorger.

Es bewegt sich was…

Auch gesundheitspolitisch werden neue Ziele gesteckt. Der im Jahr 2008 in Kraft getretene Nationale Krebsplan beinhaltet u.a.

  • Die Verbesserung der interdisziplinären Kooperation (zum Beispiel Tumorkonferenzen)
  • bessere sektoren- und berufsgruppenübergreifende Vernetzung der onkologischen Versorgung
  • engere Einbindung der Selbsthilfe in die Versorgung
  • Verbesserung der Erkennung psychosozialen Unterstützungsbedarfs sowie behandlungsbedürftiger psychischer Störungen bei Krebspatienten und Angehörigen
  • Sicherstellung der notwendigen psychoonkologischen Versorgung im stationären und ambulanten Bereich

 
2020 haben die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie für Gesundheit (BMG) gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe und dem Deutschen Krebsforschungszentrum die „Nationale Dekade gegen Krebs“ ausgerufen. Die auf zehn Jahre angelegte Initiative zur Stärkung der Krebsforschung und Krebsprävention bezieht Patienten explizit mit ein. Neben der Nutzung der Betroffenen-Perspektive zur Entwicklung zielgerichteter, relevanter Versorgungsangebote soll gleichzeitig eine effektive Nutzung der Versorgungsangebote und Maßnahmen ermöglicht werden.

Die Bedürfnisse sind verschieden

„Jeder Krebspatient erlebt die Erkrankung und die oftmals belastende Therapie subjektiv anders. Erst mit dem Verständnis dieses individuellen Erlebens wird es möglich, eine umfassende Behandlungsstrategie entwickeln zu können, die sich an den Bedürfnissen Einzelner orientiert.“1

So schreibt es Claudia Poguntke in ihrer Masterarbeit. Dieser patientenzentrierte, stark personalisierte Ansatz erfordere ein Umdenken in der klassischen Onkologie. Hin zu einer Entwicklung integrativer Konzepte, in denen die ganzheitliche Betrachtung im Vordergrund stehe und Patienten nicht auf ihre Krebserkrankungen reduziert würden, sondern dazu motiviert, aktiv an der Wiedergewinnung, am Erhalt und der Förderung ihrer Lebensqualität mitzuwirken. Das alles, sagt Poguntke, ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen sein wird.

Veränderungen brauchen Zeit

Sowohl die Patienten als auch die Ärzte können, ja sollten dazulernen, veränderte Gegebenheiten annehmen und von neuen Erkenntnissen profitieren. Ärzte werden ihre Zeit brauchen, neue Parameter und Behandlungsstrategien zu integrieren und umzusetzen. Manche haben ihre Patienten von jeher aktiv mit einbezogen, andere müssen dies lernen. Und sie müssen Diagnosen und Therapieoptionen verständlich erklären.

Schockdiagnose Krebs

Über 50 Prozent der Patienten verstehen die medizinischen Inhalte nicht. Das liegt gewiss nicht immer nur daran, dass diese zu komplex für den Laien sind, es hängt auch damit zusammen, dass ein Mensch, der gerade die Diagnose Krebs erhalten hat, sich in einer Ausnahmesituation befindet. Schließlich löst die Botschaft einer potenziell bedrohlichen Erkrankungeine Flut von Gedanken und Gefühlen ganz unterschiedlicherArt aus. Mit einem Chaos im Kopf sind die wenigsten aufnahmefähig für medizinische Inhalte, nehmen die Erstinformationen nicht oder nur teilweise wahr. Patienten müssen besser abgeholt werden.

Ein hilfreiches Tool hierbei stellen die sogenannten DiGAs dar – Digitale Gesundheitsanwendungen. Ärzte hätten nunmehr zusätzlich die Pflicht, ihre Patienten darüber zu informieren, dass es die Möglichkeit gibt, eine solche App in Anspruch zu nehmen und müssten diese dann auch verschreiben.

Jeder Krebspatient muss auch lernen, seinen eigenen Zugang zu und Umgang mit der neuen Situation zu finden, vorhandene Ressourcen zu nutzen und an wichtigen Gesundheitsentscheidungen mitzuwirken. Genau das ist Patient-Empowerment.

Patienten stark machen. Die Leisen und die Lauten!

Es gibt Menschen, die nach der Diagnose wie gelähmt sind. Unfähig, irgendetwas zu entscheiden, geschweige denn die Kontrolle zu behalten. Es gibt den wütenden und den weinenden Patienten und häufig geht beides Hand in Hand. Es gibt leise Patienten, die sich schweigend zurückziehen und Rebellen, die den Krebs lauthals verfluchen und sich mit allem, was sie haben, dagegenstemmen wollen. Nicht selten kennen die meisten Patienten sogar alle diese Emotionen und unterschiedlichen Stimmungslagen, die zu ganz unterschiedlichen Zeiten auftreten und sich abwechseln können. Es gibt gute und schlechte Tage, Verzweiflung und Hoffnung.

Einer der wichtigsten Faktoren, so Claudia Poguntke: „Es braucht Zeit.“ Es sei ein Prozess, in dem sich laufend etwas verändern könne. „Ich weiß, wie sich das anfühlt“, sagt die Wahlberlinerin, die eine schwere Krebserkrankung überlebt hat, sich mit Rückschlägen und Komplikationen konfrontiert sah, unter erheblichen kognitiven Einschränkungen, Erschöpfung und Schmerzen litt. Bis heute spürt sie mitunter noch die Folgen.

Wichtig für die Therapie der Patienten

Patienten sollten auf Augenhöhe beteiligt werden und einen für sie verständlichen Zugang zu wichtigen Informationen über ihre Erkrankung und Therapie haben. Gut ist zudem, wenn Patienten und Angehörige ein Gegenüber haben, das zuhört und dabei hilft, das Gedanken-Wirrwarr zu ordnen.

Heute vor elf Jahren saß ich in einem Krankenhausbett und weinte bitterlich. Ich hatte regelrecht einen Nervenzusammenbruch. Meine Venen waren schon nach einem Tag Klinikaufenthalt von den pausenlosen Blutabnahmen zerstochen. Am Gründonnerstag der Verdacht, am Karfreitag die Diagnose: AML. A M WAS? ‚Sie haben eine sehr aggressive Form akuter myeloischer Leukämie!‘ Leukämie verstand ich. (…) Eine Crew von ärztlichem Personal belagerte mich. Draußen verbreitete eine schamlos gut gelaunte Sonne Eisdielen-Stimmung. Der Frühling zwitscherte aus jedem Strauch. Ich konnte das nicht mehr hören, aber ich wusste es. Ich lag mittlerweile mit 39,9 Grad Fieber auf der 4d. Die 4d ist eine keimfreie Isolierstation. Die Fenster sind verriegelt. Hier kommt nichts rein und keiner raus. Kein Vogelzwitschern, kein Blütenhauch. Selbst in der Luft, lernte ich, können tödliche Keime lauern für Menschen ohne Immunsystem. So einer sollte ich jetzt sein? Das war ganz und gar unmöglich. Eben war ich noch Kreativdirektorin im Osterurlaub, jetzt Krebspatientin in der Hölle. (…) Meine Überlebenschance würde bei etwa 15% liegen. Ich lehnte ab. Der Professor blickte mich besorgt an. Der Assistenzarzt flüsterte mir zu: ‚Wir schaffen das trotzdem, wenn Sie wollen.‘ Und wie ich das wollte! (…)”2

Diesen Blog-Eintrag hat Claudia Poguntke zehn Jahre nach ihrer Knochenmarktransplantation verfasst. Es seien viele Jahre vergangen, bevor sie sich schriftlich mit ihrer Krankheitserfahrung auseinandersetzen konnte. Während der Therapie fehlten ihr die Worte und die Kraft, so die Bloggerin, die inzwischen „die Stärkung der kreativen Selbstermächtigung von Krebspatientinnen und -patienten zu den Schwerpunkten ihrer ehrenamtlichen und beruflichen Arbeit gemacht hat: ”Ich möchte den salutogenen Ansatz nach vorne bringen und mit dazu beitragen, den Patienten als Menschen zu sehen. Das ist etwas, das man bei vielen Krebsüberlebenden sieht und das sich auch bei mir als hilfreiche Erkenntnis manifestiert hat:

Ich bin nicht nur der Krebs. Der Tumor, der einen bestimmten Teil in meinem Körper besetzt hat, ist nicht mein ganzes Ich.

Erst wenn man das verinnerlicht hat, kann man anfangen zu schauen: Was kann ich tun, was tut mir gut? Es geht darum zu sehen, was geht alles noch und nicht darum, zu betrauern, was nicht mehr möglich ist. Es geht darum, jene Ressourcen anzuzapfen, die da sind.”

Menschen mit Krebs werden häufig allein auf ihre Krankheit reduziert. Aber sie sind viel mehr als das. Und: Sie dürfen auch lachen, sich freuen und Spaß haben.

Ein Prozess mit unterschiedlichen Phasen

Aus langjähriger Erfahrung weiß Claudia Poguntke, dass nicht jeder sofort in der Lage ist, dem Krebs die Zähne der Resilienz zu zeigen, eigene Ressourcen anzuzapfen und sich eingehend zu informieren. Es gibt Menschen, die sich mit der Situation bereits absolut überlastet fühlen und sich zunächst einmal so wenig wie möglich mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen möchten. Weil jeder Gedanke daran schmerzhaft ist und Angst macht. Und es gibt andere, die sich umgehend intensiv mit den Hintergründen und Details beschäftigen. Sie wollen alles wissen und lesen jede Studie, die sie in die Finger bekommen. Beides sei legitim und man müsse respektieren, wie sich ein Mensch gerade fühlt. „Ich bin weder Psychoonkologin noch Psychotherapeutin. Aber, das ist etwas, das ich an mir beobachtet habe, und das ich von Teilnehmern der Yoga- und Schreibkurse kenne. Von Frauen und Männern, ganz gleich welchen Alters und mit welchem sozialen Hintergrund: Es verändert sich. Mir ging es zu Beginn meiner Erkrankung auch nicht anders. Ich war so überw.ltigt von der Todesangst, dass ich mich gar nicht hätte informieren können. Ich war viel zu beschäftigt mit dem Überleben. Doch im Laufe einer Krebserkrankung ändern sich die Dinge. Es sei ein Prozess und es gebe unterschiedliche Phasen. „Es gibt Zeiten, in denen man noch nicht der aktive Patient sein kann, weil man z.B. noch nicht so gefestigt ist, weil man die Krankheit nicht akzeptiert. Ich habe geweint, gelacht und getobt. Es gab Zeiten, da war ich so aggressiv, dass man mir den Psychoonkologen ans Krankenbett schickte.“ Seine Worte hat Claudia Poguntke nicht vergessen: „Machen Sie sich mal keine Gedanken um die anderen, seien sie ruhig wütend. Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass Sie noch ganz viel Energie haben.“ Dieser Satz habe sie in dem Moment unglaublich erleichtert. „Emotionen“, sagt Poguntke, „sind erlaubt und dürfen sein. Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sich gerade emotional befinden.“ Wichtig sei dabei, sie nicht mit einer zusätzlichen Erwartungshaltung zu belasten.

Gesundheitsentstehung, Halt, Selbstwirksamkeit

Salutogenese (lat. salus ‚Gesundheit‘, ‚Wohlbefinden‘ und genese, also etwa „Gesundheitsentstehung“) bezeichnet zum einen eine Fragestellung und Sichtweise für die Medizin und zum anderen ein Rahmenkonzept, das sich auf Faktoren und dynamische Wechselwirkungen bezieht, die zur Entstehung und Erhaltung von Gesundheit führen. Der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky (1923–1994) prägte den Ausdruck in den 1980er Jahren als komplementären Begriff zu Pathogenese. Nach dem Salutogenese-Modell ist Gesundheit nicht als Zustand, sondern als Prozess zu verstehen. Im Salutogenesekonzept von Antonovsky ist das Kohärenzgefühl die entscheidende Grundlage von Gesundheit.

Kohärenz (lat. cohaerentia) bedeutet soviel wie Zusammenhang, Zusammenhalt. Sich innerlich und äußerlich gehalten fühlen und sich auch selber innerlich und äußerlich Halt verschaffen können. (Quellen: Wikipedia; E. Schiffer „Wie Gesundheit entsteht. Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung“)

Empowerment lässt sich übersetzen mit „Selbstbefähigung, Selbstkompetenz oder Stärkung von Autonomie und Eigenmacht“. Der Begriff Empowerment kommt aus dem Amerikanischen, entwickelte sich durch Selbsthilfeinitiativen weiter und wurde zunächst Bestandteil sozialer Arbeit. Darüber hinaus ist Empowerment auch in der Psychologie und der medizinischen Behandlung (Patientenkompetenz), der Selbsthilfe und Weiterbildung von Bedeutung. Inzwischen ist Empowerment ein Sammelbegriff für alle Ansätze der psychosozialen Praxis. Durch Empowerment sollen Menschen die Fähigkeit erlangen oder wiedererlangen, das Leben selbst zu gestalten. Allein das Gefühl, das eigene Handeln positiv beeinflussen zu können, gilt als wichtiger Schutzfaktor und Voraussetzung für eine gewisse Widerstandsfähigkeit, die sogenannte

Resilienz
Resilienz ist die Fähigkeit, seine psychische Gesundheit auch während widriger Umstände aufrechtzuerhalten oder im Anschluss schnell wiederzuerlangen. Es wird damit auch der Prozess beschrieben, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren. In seinem Buch „Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen“ beschreibt Prof. Raffael Kalisch es so: Resilienz sei kein Schutzschild, sondern eine Form der Aktivität. Resilient seien nicht die, die sich nicht berühren lassen, sondern die, denen es gelingt, in allem Übel auch noch ein Körnchen Gutes zu finden, die, deren neuronales Belohnungssystem auch in stressigen und belastenden Situationen noch Aktivität zeigt. Solche Menschen machten sich keine Illusionen, aber bei Ungewissheit neigten sie dazu, eher einen positiven Verlauf der Dinge anzunehmen, und sie glauben eher, dass sie selbst etwas bewirken können. (vgl. www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/38838-resilienz-laesst-sich-lernen.html / Raffael Kalisch: Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen. Berlin Verlag, Berlin 2017)

Aushalten

Ausdrücklich distanzieren –, möchte sich Claudia Poguntke vom Thema „Positivität“. Es gehe nicht darum, ständig alles positiv sehen zu müssen, sondern vielmehr darum, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind und zu versuchen, genau das auszuhalten. In ihrem Blog gibt es dazu einen passenden Eintrag:

„Es dreht sich alles um den individuellen Ereignishorizont. Und darin gibt es einfach manchmal nichts zu tun oder zu lassen. Es gibt nur ein Durchhalten. Ein Aushalten der Einsamkeit und ihrer Stille. Von meinem Krankenbett aus, konnte ich über den ziegelroten Dächern diesen kleinen Flecken Himmel beobachten. Wie er sich fortwährend veränderte. Etwas, das ich gar nicht kannte, legte sich zu mir ins Bett. Ein sinnlicher, weicher Frieden. Er war einfach da. Ich war einfach da. Wir freundeten uns an. Nun waren wir schon zu zweit. Der stille Frieden und ich. Die Sonne blinzelte noch einmal kurz ins Zimmer und verschwand dann. Ich wusste, sie würde wieder kommen.“2

Eine Situation oder ein Gefühl einfach nur auszuhalten ist nicht leicht. Aber es gibt einige Werkzeuge, die dabei hilfreich sein können. So zum Beispiel Achtsamkeitstraining, Atemübungen oder Yoga. In der Yoga- und Meditationspraxis gehört das Loslassen zu den elementarsten Übungen. Yoga kann die Haltung gegenüber den Dingen verändern, dabei helfen, einen gewissen Gleichmut zu entwickeln – nicht zu verwechseln mit Gleichgültigkeit. Mitunter fällt es dann leichter, Dinge anzunehmen, wie sie sind. Ein weiteres Tool, das Claudia Poguntke für sich entdeckt hat, ist das kreative Schreiben.

Yoga sei ein wunderbarer Weg, durch bewusste Atmung, Bewegung und Meditation Glückszust.nde zu erreichen, schreibt sie in ihrem Blog und ergänzt: „Nun werden traditionellerweise Bewegungstherapie und Achtsamkeit nicht mit Gefühlsäußerungen auf der Matte verbunden.“ Beim biografischen und kreativen Schreiben – das sie während ihres Studiums an der Alice Salomon Hochschule Berlin erforschte – ist das nicht nur erlaubt, sondern erwünscht.

Kreatives Schreiben

In ihrer jüngst abgeschlossen Masterarbeit1 beschäftigt Claudia Poguntke sich mit der Wirksamkeit von digitalen Angeboten für Krebspatientinnen und Patienten und widmet sich u.a. der Frage: Kann kreative Schreibgruppen-Arbeit als soziale Interaktion einer unfreiwilligen sozialen Isolation entgegenwirken? Ihre Hypothese lautete: »Eine schreibende Patient:in ist eine aktive Patient:in. Aktive Patient:innen tragen zur Steigerung ihrer Lebensqualität bei.«

Kreatives Schreiben kann Menschen helfen, während oder nach einer Krebs-Erkrankung besser mit Belastungen und Herausforderungen umzugehen. Ausgewählte Übungen unterstützen dabei, beim Schreiben Ballast abzuwerfen und Unaussprechlichem einen Namen zu geben. Schreiben ist ein schöpferischer Prozess, der von belastenden Gedanken befreien kann. Wer schreibt, handelt und beschäftigt sich aktiv mit der Gestaltung des eigenen Lebens.